Lebkuchentest
Sie heben das Wohlbefinden
Von THOMAS PLATT
Geruchstest: (v. li.) Johann Kreter, Lucie Friedrich und Kai MichelsFotos Andreas Pein
Lebkuchenteig ist kein Stück Knete, das in der Ecke liegt“, sagt Guido Fuhrmann. Der berühmte Patissier meint damit den sogenannten Lagerteig aus Roggenmehl, Honig, Zucker und Wasser. Die Vorstufe des Lebkuchens setzt Fuhrmann bereits zu Ostern an. Bis dem starren Teig zu Beginn der Weihnachtssaison Gewürze und Triebmittel zugesetzt werden, reift er im Keller unter der „Werkstatt der Süße“ im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg. Dort im Ofen – und in vielen anderen in der Republik – entstehen nunmehr Lebkuchen, die jeder kennt. Von ganz ähnlicher Machart sind Honigkuchen, Magenbrot, Pfeffernüsse und Printen.
Fuhrmanns ganzer Stolz bleibt jedoch der Elisenlebkuchen. Mit den karamellfarbenen Herzen und Sternen, Männchen und Bäumchen oder dem Baustoff von Knusperhäuschen hat diese reichhaltigste und schmackhafteste Variante erstaunlich wenig zu tun. Wenn man in einen Taler seiner Kleinserie beißt, fühlt man sich an die Konsistenz von Makronen erinnert, an die von Mandelhörnchen und Zimtsternen, entfernt sogar an Macarons. Im Nu gewinnen Geschmack und Textur von Mandeln, Hasel- und Walnüssen die Oberhand.
Die zum Teil gehackten und gerösteten, zum Teil fein gemahlenen Kerne bilden eine elastisch-mürbe Masse. Zusammengehalten wird sie von Eischnee oder flüssigem Eiklar. Vor dem Austrocknen geschützt von einer Oblate, erscheint der Elisen mehr gedörrt als gebacken. Sein weißer Boden darf keinesfalls Farbe annehmen. Die Süße stammt überwiegend von Honig und Zucker. Aber auch Orangeat, Zitronat, etwas Marzipan, mitunter kandierter Ingwer und Aprikosenmarmelade tragen dazu bei. Obendrein bewahren sie Feuchtigkeit.
Traditionell lockert Hirschhornsalz den Teig. Das nach Lakritz schmeckende Ammoniumcarbonat treibt ihn bloß Zentimeter hoch in die typische Kuppelform. Damit die Masse sich im Ofen nicht über die Oblate hinaus ausbreiten kann, wird ihre Oberfläche zuvor getrocknet. Industrielle Produkte enthalten häufig noch Backpulver, Aromastoffe, Fructose- und Glukosesirup, Feigenpaste sowie diverse Feuchthaltemittel. Sie teilen diesem Aristokraten des Genres eine gesteigerte Prägnanz mit und plustern ihn auf. Das kann einem übertrieben vorkommen.
In rohem Zustand könnte man den Elisenteig, bei dessen Herstellung häufig ganz auf Mehl verzichtet wird (ein Anteil von bis zu 10 Prozent wäre erlaubt), mit feuchtem Putz verwechseln – wenn da nicht dieser starke, beinahe narkotische Duft wäre. Erzeugt wird er vom Zusammenspiel von Fenchelsamen, Koriandersaat, Kardamom, Muskatblüte, Nelken, Piment, Sternanis und Zimt. Zitruszesten fügen dem Geschmack verdichtete Fruchtfrische hinzu, Vanille und zuweilen auch Tonkabohne stiften Harmonie.
Diese feinstofflichen Zutaten verweisen auf den Ursprung im mittelalterlichen Nürnberg. An diesem Knotenpunkt von Handelsstraßen waren alle Gewürze verfügbar, die einem Lebkuchen Leben einhauchen. Schon früh sagte man ihnen einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden nach. Insbesondere die ätherischen Öle der exotischen Ingredienzien vermögen die Stimmung aufzuhellen und den Trübsinn winterlicher Tage zu vertreiben.
Lebkuchen gehört zu unserem Weihnachten wie der Tannenbaum. Mehr noch als das Gewächs aus der Nadelholzplantage kann er sich auf Tradition berufen. Die Zunft der Lebkuchenbäcker ist ein Vorläufer des Konditoreiwesens. Manchen Connaisseuren kommt der Elisen inzwischen ein wenig antiquiert vor, gleichsam wie die Schellackplatte der Weihnachtsbäckerei. Doch bei seinem Genuss schwingt Pietät mit. Schließlich handelt es sich um eine Spezerei, die unsere Vorfahren geliebt haben. Über viele Generationen hinweg ist uns dies süße Brot erhalten geblieben. In handwerklich orientierten Unternehmen nahezu unverändert.
Mit drei Experten haben wir Elisenlebkuchen mit Schokoladenüberzug getestet. In Berlin sind Lucie Friedrich und Kai Michels schon lange Autoritäten des süßen Metiers. Ihr Know-how erwarben sie in der Gourmetgastronomie. Das merkt man ihren klassischen wie freien Kreationen bis ins Detail an. Ihre „Jubel Feine Pâtisserie“ gewährte uns Unterschlupf.
Ebenso über den Tag hinaus Geltung besitzen die Backwaren des Schöneberger Biobetriebs „Johann“. Inhaber Johann Kreter verkörpert als Bäcker- und Konditormeister beide Entwicklungslinien des Elisen und setzt auf althergebracht erzeugte Grundstoffe wie Einkorn, Emmer und Waldstaudenroggen.
Platz 1
Düll Echte Nürnberger Elisen-Lebkuchen
Stück/100 g, 4,95 Euro, https://das-suesse-leben.de/
Platz 2
Arnd Erbel Elisen Lebkuchen (Schoko)
3 Stück 10,50 Euro, 5 Stück 17,50 Euro, https://arnderbel.de/
Platz 3
Manke & Codewey Original Elisen
210 g, 12,18 Euro, www.bosfood.de
Platz 4
Dr. Balke classic Feinster Elisen-Lebkuchen
380 g, 11,99 Euro, Vitalia Reformhaus
Platz 5
Konditorei Hatzel handgemachte Elisen-Lebkuchen
175 g, 8,50 Euro, Manufactum Warenhäuser
Platz 6
Feinste Fraunholz Elisen-Lebkuchen vegan
340 g, 10,– Euro, www.fraunholz-lebkuchen.de, Manufactum
Platz 7
Winter Traum Mini Elisen-Lebkuchen Zartbitter
200 g, 3,69 Euro, Aldi
Platz 8
Lebkuchen Schmidt Feinste Nürnberger Schoko-Elisen-Lebkuchen
275 g, 8,90 Euro, www.lebkuchen-schmidt.com
Platz 9
Wicklein Hey! Elisenlebkuchen mit viel dunkler Schokolade
150 g, 4,99 Euro, Supermarkt, worldofsweets.de
Platz 10
dm Bio Elisen Lebkuchen vegan
275 g, 5,99 Euro, dm Drogeriemarkt
Gastgeber: „Jubel Feine Pâtisserie“, Berlin.