Im Ringen um die Neuwahl des Bundestags wachsen die Aussichten, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Vertrauensfrage früher stellt als Mitte Januar. Am Sonntag sagte Scholz in der ARD, er habe nichts dagegen, noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage zu stellen, und schlug vor, dass sich die Fraktionen im Bundestag auf einen Zeitplan für Neuwahlen verständigen.
Vom Datum der Vertrauensfrage im Bundestag hängt ab, wann eine Neuwahl stattfinden kann beziehungsweise muss. Nach Scholz’ ursprünglichem Zeitplan wäre das Ende März. Immer wichtiger wird die Frage, wie weit der Termin vorverlegt werden kann, ohne eine ordnungsgemäße Wahlvorbereitung zu gefährden. So äußerten sich die Parteien zuletzt:
FDP für Wahl im Januar
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hält einen Wahltermin im Januar für möglich. Das sagte er am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Dies sei nicht nur eine Frage der Organisation, sondern in erster Linie eine politische Frage. „Diese politische Frage muss aus meiner Sicht rasch geklärt werden“, so Djir-Sarai. „Wir stehen vor enormen Herausforderungen. Diese Hängepartie in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt kann sich niemand leisten.“ Jetzt müssten wichtige Entscheidungen getroffen werden. „Deswegen ist es jetzt nicht die Zeit fürs Taktieren oder Probleme aussitzen. Jetzt muss das Land schnell entscheiden, wohin wir gehen.“
Grüne: Vertrauenfrage noch im Dezember
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, sprach sich am Sonntag dafür aus, dass Scholz die Vertrauensfrage im Dezember stellen solle. „Wir streben zügige Neuwahlen an“, sagte sie der „Bild“-Zeitung.
Union: Neuwahl am 19. Januar
Der Oppositionsführer und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) fordert Neuwahlen am 19. Januar. Dafür solle Scholz die Vertrauensfrage an diesem Mittwoch stellen, an dem er eine Regierungserklärung im Bundestag angekündigt hat. Der SPD-Ko-Vorsitzende Lars Klingbeil mahnte ein Ende der Diskussion über den Wahltermin an. „Die Debatte wird mir viel zu emotional geführt“, sagte Klingbeil gegenüber „Zeit Online“.
Nochmal SPD:
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich, der laut Scholz nun eine Einigung über den Wahltermin mit Merz finden soll, mahnte in der „Süddeutschen Zeitung“, rechtliche und praktische Voraussetzungen für die Neuwahl seien ernstzunehmen. Zuvor hatte er ein Vorziehen der Vertrauensfrage an Vereinbarungen mit der Union geknüpft, welche Projekte noch gemeinsam umgesetzt werden sollen. „Beide Herausforderungen kann man zusammen und gemeinsam angehen“, sagte Mützenich dem Blatt. Konkret nannte er die Erhöhung des Kindergelds, die Sicherung des Deutschlandtickets, Entlastungen der Industrie sowie den Schutz des Verfassungsgerichts. Wenn eine solche Agenda vereinbart würde, dürfte es „leicht gelingen, einen sinnvollen Termin für die Wahl zu finden“, so Mützenich.
Peter Tschentscher, Scholz’ Nachfolger als Erster Bürgermeister in Hamburg und Spitzenkandiat für die Wahl der Bürgerschaft am 2. März, befürchtet offenbar, in den erwarteten bundesweiten Abwärtsstrudel der Sozialdemokraten zu geraten. „Eine Überlagerung bundespolitischer Themen in den Hamburger Wahlkampf wäre mir nicht recht“, zitierte ihn die „Welt“. In Hamburg ist die SPD traditionell stark; möglicherweise bestehen in der Bundes-SPD Hoffnungen, von etwaigem Rückenwind dort zu profitieren. Andererseits könnten Stimmenverluste sie noch weiter schwächen.