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Auktion einer Banane: Cattelans „Comedian“ bei Sotheby’s

Auktion einer Banane: Cattelans „Comedian“ bei Sotheby’s


Bananen sind gewöhnlich leicht verderbliche Ware: Wer wüsste das nicht, der schon in guter Absicht ein paar der von Natur aus appetitlich gelb verpackten Sattmacher für ein paar Euro im Supermarkt erstanden hat und ihnen danach beim Schwarzwerden in der Küche zusehen konnte. Rund 135 Millionen Tonnen des mehligen Obsts werden jedes Jahr geerntet. Bananenrepubliken machen mit ihm Staat, doch als Statussymbole eignete es sich nicht – bis der italienische Kunstprovokateur Maurizio Cattelan 2019 auf der Kunstmesse Art Basel in Miami Beach eine Banane mit Panzerband an eine Wand klebte, das Ganze unter dem Namen Comedian feilbot und für einen Skandal sorgte.

Preissteigerung um das Zehnfache

125.000 Dollar zahlte damals tatsächlich ein Käufer für eine von drei Bananen, später veräußerte er das Kunstwerk an einen anderen Sammler, und dieser lässt es im November bei Sotheby’s in New York versteigern: nun zum Schätzpreis von einer Million bis 1,5 Millionen Dollar.

Appetitlich? Cattelans Bananenkunst bei Sotheby’s
Appetitlich? Cattelans Bananenkunst bei Sotheby’sLaif

Das ist eine Verzehnfachung des Preises innerhalb von fünf Jahren und total Banane, selbst wenn hier keine alte Matschfrucht veräußert wird, sondern Frischware, die nach dem Konzept des Konzeptkunstwerks ausgetauscht werden darf. Allein als Lebensmittelspekulation der unappetitlichsten Art von finanziell Übersättigten ist der Coup nur unzureichend qualifiziert. Tatsächlich tischt die Banane gnadenlos auf, wie ideelle Werte und damit eng verknüpfte monetäre Werte auf dem Kunstmarkt ermittelt werden.

Material und handwerkliche Finesse spielen eine untergeordnete Rolle, eine übergeordnete der Ausdruck von Ideen oder Emotionen, die Stellung der Arbeit im Werkzusammenhang eines Künstlers und der Kunsthistorie, die Herkunft und Geschichte. Hinzu kommen bei der Preisbildung Fun-Faktor, Aufreger- und Angeberpotential sowie Seltenheit und modisches Gefragtsein.

Kapital aus Kontroversen

Wert ist nur eine Übereinkunft im Spiel von Angebot und Nachfrage, und Konzeptkunst verkauft bekanntlich bloß mehr Ideen. Cattelan kann sich mit seiner notorischen Banane in die Tradition des Urinal-Readymades „Fountain“ von Marcel Duchamp oder Joseph Beuys’ „Capri-Batterie“ mit Zitrone stellen, wobei Letztere immerhin leuchtet. Die Bananenkunst des Italieners ähnelt auch den kürzlich noch gehypten, inzwischen allerdings nicht mehr sonderlich gefragten NFTs: Wie bei Blockchain-Zertifikaten besteht das Werk im Kern aus einer Besitzurkunde, ist also etwas Virtuelles. Kann sein, dass man das jetzt spaßig findet, wenn man das nötige Spielgeld für so etwas hat, bald aber nicht mehr. Keiner kann es voraussagen.

Könnte man als Kritik an Waffenbesitz in den USA sehen: Cattelan vor seinem Werk „Sunday“ in der New Yorker Gagosian Gallery
Könnte man als Kritik an Waffenbesitz in den USA sehen: Cattelan vor seinem Werk „Sunday“ in der New Yorker Gagosian GalleryAP

In welchem Maße Cattelan bisher Kapital aus Kontroversen zu schlagen vermochte, zeigte 2016 seine lebensechte, von Mitarbeitern gefertigte Wachsfigur eines kleinen knienden Hitlers: Kostenpunkt 17 Millionen Dollar. In jüngster Zeit macht der Künstler, zu dessen bekanntesten Werken die 2019 gestohlene goldene Toilettenschüssel „America“ gehört, in goldüberzogenen Metallplatten, die von Schüssen demoliert sind und bei der diesjährigen Art-Basel-Messe in der Schweiz zum Stückpreis von 350.000 Dollar zu haben waren. Unbeeindruckt von juristischen Streitereien um Urheberrechte, in die der Künstler immer wieder hineingezogen wird, kultivierte er so über die Jahre zwischen Konfrontation mit dem verniedlichten Bösen, Bananen-Banalität und Schießbudenzauber in Edelmetall kommerziell erfolgreich sein Schaffen.

Nährwert: David Datuna verzehrte auf der Art Basel Miami Beach 2019 eine Cattelan-Banane.
Nährwert: David Datuna verzehrte auf der Art Basel Miami Beach 2019 eine Cattelan-Banane.RONN TOROSSIAN VIA REUTERS

Für Sotheby’s ist der bald servierte Banana-Flip schon jetzt ein Erfolg, weil die auf Welttournee rund um den Globus geschickte „Comedian“-Frucht für Publicity sorgt und ihre Auktion mit einer Garantie abgesichert sein soll: Das Ding wäre damit schon so gut wie verkauft. Das dürfte für gute Laune in dem von Schulden bedrückten Auktionshaus Patrick Drahis sorgen, das sich gerade eine kräftige Finanzspritze vom Golf geben lässt. Der Staatsfond Abu Dhabis kauft sich im Zuge eines Milliardendeals in das Unternehmen ein.

Was lehrt die Banane noch? Dass vermeintlich den Kunstmarkt als Kaiser ohne Kleider entblößende Kunstwerke wie „Comedian“ – oder Banksys bei der Versteigerung geschreddertes Bild „Love is in the Bin“ – den am Handel Beteiligten dann am meisten Spaß machen, wenn Ikonoklasmus Waren hervorbringt, denen man wiederum das Etikett „ikonisch“ und ein Preisschild mit vielen Nullen anheften kann. Auf der Art Basel in Miami Beach wurde dem Performancekünstler David Datuna 2019 der Wirbel am Cattelan-Obststand zu dumm, und er verspeiste eine der drei Bananen. Ein Student in Seoul tat es ihm gleich, als er 2023 im dortigen Leeum Museum of Art eine Banane Catellans von der Wand riss und verzehrte. Das sei ein Akt der Rebellion gegen die Rebellion, außerdem habe er nicht gefrühstückt, äußerte er sich dazu. Sotheby’s sollte bei seiner Versteigerung vorsorglich Häppchen bereitstellen.



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