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Suhl lehnt Städtepartnerschaft in Ukraine ab – Hintergrund ist politischer Sprengstoff


Die ukrainische Stadt Podilsk hat etwa 40. 000 Einwohner und liegt rund 200 Kilometer nordwestlich der Schwarzmeerstadt Odessa. Zwar blieb Podilsk bislang von schweren Angriffen der russischen Armee verschont, allerdings starben zu Kriegsbeginn im Februar 2022 bei einem Luftschlag sechs ukrainische Soldaten.

Es war die einzige Kriegsmeldung aus der Region, die es in die internationalen Medien schaffte. Doch jetzt rückt Podilsk wieder ins Rampenlicht – durch eine politische Entscheidung in Deutschland!

Hintergrund: Vor einiger Zeit wandte sich der Podilsker Bürgermeister an seinen Suhler Amtskollegen André Knapp (CDU). Dabei äußerte er den Wunsch, zwischen beiden Orten eine Städtepartnerschaft zu vereinbaren. Während Knapp sich aufgeschlossen zeigte, entschied sich der Suhler Stadtrat mehrheitlich dagegen.

Argument der Lokalpolitiker: Eine ukrainische Städtepartnerschaft könnte die bestehende Partnerschaft mit der russischen Stadt Kaluga gefährden.

Keine Städtepartnerschaft in Ukraine – aus Angst vor Russen

Die enge Bande zu Kaluga wurde noch zu DDR-Zeiten geknüpft, sie besteht seit 1969. Und selbst nach Beginn des völkerrechtswidrigen Überfalls von Russland auf die Ukraine mochte Suhl von der Verbindung nicht abrücken. Am 2. März 2022, wenige Tage nach der Invasion, beschloss der Stadtrat, die Partnerschaft mit Kaluga fortzusetzen.

Erst später, nachdem viele deutschen Kommunen ihre Städtepartnerschaften in Russland bereits auf Eis gelegt hatten, trat bei den verantwortlichen Lokalpolitikern ein Umdenken ein. Grund war ein Brief des Bürgermeisters von Kaluga, Dmitry. A. Denisov, an Suhls Oberbürgermeister Knapp vom 11. Mai 2022.

Darin stellte das russische Stadtoberhaupt klar, er und seine Bürger stünden fest an der Seite von Kreml-Chef Wladimir Putin. Man unterstütze vorbehaltlos die „militärische Spezialoperation in der Ukraine“. Diese sei ein „notgedrungener Schritt zur Beendigung des Nazismus und des Nationalismus“ in dem Nachbarland.

Denisov erklärte, Ziel des Einmarschs in der Ukraine sei der Schutz russischer Bürger, „die während der letzten acht Jahre der Misshandlung und dem Genozid vonseiten des Kiewer Regimes ausgesetzt waren“. Russland könne „eine solche Aggression nicht länger hinnehmen“ und sei entschlossen, „seine nationalen Interessen zu verteidigen“.

Zugleich betonte er, dass seine Stadt Kaluga die Partnerschaft mit Suhl „hoch einschätzt“. Die engen Beziehungen seien „wichtig und wertvoll“, gerade vor dem Hintergrund des „gegen die Russen entfachten ökonomischen und Informationskrieges“.

Russische Partnerstadt: Bürgermeister voll auf Putin-Linie

Das Schreiben schickte der russische Politiker nicht aus heiterem Himmel. Es war seine Reaktion auf einen Beschluss der Suhler Stadtverordneten vom 2. März 2022. Darin wurde Oberbürgermeister Knapp aufgefordert, der russischen Partnerstadt zu schreiben, dass man den Überfall auf die Ukraine verurteile.

Die Knallhart-Reaktion aus Kaluga sorgte in Suhl für reichlich Unruhe – und führte zur Einsicht, dass man die Städtepartnerschaft zunächst lieber einmal ruhen lässt.

Unlängst erreichte die thüringische Stadt dann eine Anfrage aus Podilsk. Die ukrainische Kommune bat darum, Suhls achte Partnerstadt zu werden, nach Würzburg, Budweis (Tschechien), Lahti (Finnland), Bègles (Frankreich), Leszno (Polen), Smoljan (Bulgarien) und Kaluga in Russland.

Suhls Oberbürgermeister Knapp zeigte sich aufgeschlossen und organisierte ein Gespräch mit seinem ukrainischen Amtskollegen. Dabei loteten sie eine mögliche Zusammenarbeit aus. Sie kamen überein, die Verhandlungen zu intensivieren, um die Grundlage für einen Städtepartnerschaftsvertrag zu schaffen.

Im Hintergrund entspann sich um den Vorgang eine heftige politische Debatte im Stadtrat. Bei nicht-öffentlichen Sitzungen im Kultur- und Hauptausschuss prallten Befürworter und Gegner aufeinander.

Schließlich sprach sich eine deutliche Mehrheit der Parlamentarier gegen die Aufnahme solcher Gespräche aus. Vor wenigen Tagen kam die Vorlage in den öffentlichen Teil des Stadtrates (36 Mitglieder) – und wurde dort rigoros abgebügelt. Lediglich neun Stadträte stimmten für die Aufnahme von Gesprächen mit den Ukrainern.

Auf Deutsch: Eine von der ukrainischen Stadt angestrebte Städtepartnerschaft ist in Suhl nicht erwünscht – aus Rücksicht auf die lange bestehende Partnerschaft mit Kaluga in Russland.

Suhls OB Knapp nennt Stadtrats-Entscheid „befremdlich“

Oberbürgermeister Andre Knapp (CDU) war einer derjenigen, die das Projekt gerne weiterverfolgt hätten. Die Suhler Tageszeitung „Freies Wort“ zitiert ihn mit der Aussage, es sei „befremdlich“, dass ihm der Stadtrat noch nicht einmal eine Gesprächsoption mit seinem Podilsker Amtskollegen einräume.

„Zumindest das wäre ein gutes Signal an die ukrainische Stadt gewesen – und zwar unabhängig davon, was letztlich dabei herausgekommen wäre“, so Knapp. Zuvor hatte er an die Stadträte appelliert, der Beschlussvorlage zuzustimmen. Schließlich sei neben einer regulären Städtepartnerschaft auch eine zunächst auf drei Jahre befristete Solidaritäts-Partnerschaft möglich.

„Wenn wir uns im Krieg befänden und um Hilfe bitten würden, was wäre dann wohl unsere Erwartung an andere Länder und Staaten?“, fragte Knapp seine Stadtrats-Kollegen eindringlich.

Linken-Fraktionschef Philipp Weltzien stimmt dem OB zu: „Ich finde es sehr bedauerlich, wenn wir einem Land und einer Stadt, die sich in einem unverschuldeten Krieg befinden und Hilfe brauchen, unsere Solidarität versagen.“

Auch CDU-Fraktionschef Lars Jähne warb für das Projekt, insbesondere aus humanitären Gründen. „Ein zunächst auf drei Jahre befristetes Solidaritäts-Projekt wäre ein guter Weg.“

Doch die übergroße Mehrheit der Stadträte sah das anders. Offenbar wollten sie keinen vollständigen Abbruch der eingefrorenen Städtepartnerschaft mit dem russischen Kaluga riskieren.

In einigen Fällen ist die russlandfreundliche Haltung nachvollziehbar. Stadtrat Martin Kummer (CDU) etwa ist Chef der Deutsch-Russischen Freundschaftsgesellschaft in Thüringen.

Das „Freie Wort“ zieht jedenfalls eine bittere Bilanz. „Das klar definierte Ziel der Partnerschaft mit einer ukrainischen Stadt – ein Zeichen für Versöhnung und Frieden zu setzen – ist mit dem Stadtratsbeschluss nunmehr in weite Ferne gerückt

Zahl der Städtepartnerschaften in Ukraine stark gestiegen

Mit ihrer Blockadehaltung bildet die thüringische Stadt eine Ausnahme. Denn bundesweit hat sich die Zahl der Städtepartnerschaften zu ukrainischen Kommunen seit Kriegsbeginn mehr als verdoppelt – von 73 auf mehr als 160.

Anders verhält es sich bei Städtepartnerschaften mit Russland. Vor dem Krieg gab es etwa 120 dieser Verbindungen, doch ein Großteil der deutschen Städte hat alle Aktivitäten eingestellt.

Baden-Baden etwa lässt seine Städtepartnerschaft zu Sotschi in Russland ruhen. Gegenüber der „FAZ“ erklärte ein Sprecher der Stadt: „Baden-Baden unterhält mit Jalta und Sotschi zwei Städtepartnerschaften, die sich in der Ukraine und in Russland befinden. Angesichts des Krieges in Europa können und wollen wir uns nicht neutral verhalten. Wir stehen zu den Werten von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.“

Die Stadt habe dem Oberbürgermeister von Sotschi in einer offiziellen Protestnote mitgeteilt, dass die Partnerschaft mit „sofortiger Wirkung“ ruht. Das gelte so lange, bis die vollständige Souveränität der Ukraine wiederhergestellt sei.

Heidelberg und die ukrainische Schwarzmeer-Stadt Odessa wollen unterdessen die gemeinsamen Beziehungen intensivieren und streben eine Städtepartnerschaft an. Die Stadt Heidelberg sieht darin wichtiges Signal für die kriegsgeplagten Menschen in der Ukraine. Am 14. November soll der Gemeinderat über die Kooperation entscheiden.

Die Zustimmung scheint – anders als in Suhl – reine Formsache.





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