Bielefeld ist auf den ersten Blick nicht der ideale Ausgangspunkt für eine Bergsteigerkarriere. Anja Blacha, die dort aufgewachsen ist, seit einigen Jahren aber in Zürich in der Schweiz lebt, hat es trotzdem zur erfolgreichsten deutschen Höhenbergsteigerin gebracht.
Am 23. September stand die Vierunddreißigjährige auf dem Gipfel des Manaslu (8163 Meter) in Nepal und zwölf Tage später auf dem Gipfel des Cho Oyu (8188 Meter) in Tibet. Sie hat damit nach dem Makalu (8485 Meter) und dem Kangchendzönga (8586 Meter) in diesem Jahr vier Berge bestiegen, die mehr als 8000 Meter hoch sind.
Insgesamt hat Anja Blacha sogar die Gipfel von zehn Achttausendern erreicht. Auf dem Mount Everest (8848 Meter), dem höchsten Berg der Welt, stand sie gleich zweimal. Während sie gewöhnlich ohne Flaschensauerstoff unterwegs ist, nutzte sie am Everest beide Male Zusatzsauerstoff.
Durch einen Zufall wurde sie zur „Expeditionistin“
Zur „Expeditionistin“, wie sie sich selbst nennt, wurde Anja Blacha durch Zufall. Bei einer Reise nach Peru 2014 machte sie ihre erste Mehrtageswanderung. Zu Fuß unterwegs zu sein, mit einem großen Ziel, das wollte sie nun immer wieder erleben.
2015 schaffte sie es auf den Aconcagua (6961 Meter), den höchsten Berg Südamerikas. Dann ging es Schlag auf Schlag. 2017 hatte sie die höchsten Berge sämtlicher Kontinente erreicht, die Seven Summits.
Anfang September war Blacha nun wieder in den Himalaja gereist. Ihr Ziel war der Cho Oyu, an dem die übliche Aufstiegsroute über die tibetische Nordseite führt. Weil sich die chinesischen Behörden aber Zeit ließen mit der Erteilung von Visum und Permit und die Einreise nach Tibet sich daher verzögerte, nutzte Blacha die Gelegenheit und machte sich auf zum Manaslu, der als Einsteiger-Achttausender gilt und gerade im Herbst viele Expeditionen anlockt.
Wenig Zeit zur Eingewöhnung
Sie musste sich beeilen. Starke Niederschläge waren vorhergesagt, die dann in Kathmandu zu Überschwemmungen führten und am Manaslu fast zwei Meter Neuschnee in zwei Tagen brachten. Die Bergsteiger konnten sich also nicht so schnell an die Höhe gewöhnen. Trotzdem schaffte es Anja Blacha vor dem großen Ansturm auf den Gipfel.
Unterdessen bekam sie auch die Papiere für den Cho Oyu. So konnte sie direkt weiter nach Tibet reisen. Wie Blacha telefonisch aus Lhasa sagte, wo sie nach der Expedition auf ihren Rückflug nach Kathmandu wartete, war der Aufstieg auf den Manaslu von großem Vorteil. „Damit konnte ich am Cho Oyu ohne weitere Rotation direkt den Summit Push starten.“
Üblicherweise gewöhnen Bergsteiger ihren Körper erst langsam an die Höhe, indem sie einige Nächte in den verschiedenen Hochlagern verbringen, bevor sie nach einigen Tagen Regenerationszeit vom Basislager zum Gipfel aufsteigen.
Chinesische Regierung unterbindet Gipfelsammeln
Neue Regelungen der chinesischen Behörden sahen vor, dass von diesem Jahr an Gipfelaufstiege an Shishapangma und Cho Oyu nur noch mit Flaschensauerstoff möglich sein sollten. Offenbar reichte es am Ende aber, dass Blacha mit einem Sherpa unterwegs war.
Weil in China Permits aber nur noch für einen hohen Berg pro Saison vergeben werden, um das Gipfelsammeln zu unterbinden, konnte sie nicht auch noch weiter an die Shishapangma (8027 Meter) reisen. „Dabei hätte es super gepasst.“ Diese Regelung wird streng überwacht. „Mein Reisepass und das Permit für den Berg wurden noch nie so oft kontrolliert wie in diesem Jahr am Cho Oyu.“
Zunächst hatte Anja Blacha für dieses Jahr nur den Aufstieg auf den Cho Oyu geplant. Dann kam alles anders. Im Frühjahr wollte Blacha, die es als erste Frau allein von der Küstenlinie der Antarktis bis zum Südpol geschafft hatte, eigentlich den Nordpol zu Fuß erreichen. Doch die Landebahn am Forschungslager Barneo war mehrfach gebrochen und konnte nicht präpariert werden.
„Ich hatte da so ein Kribbeln“
Blacha wartete zwei Wochen in Sibirien, eine Chance ergab sich jedoch nicht. „Ich kann aber nicht von einer Reise nach Hause kommen, und es ist nichts passiert. Ich hatte da so ein Kribbeln, und Zeit hatte ich auch.“
Also reiste sie spontan weiter nach Nepal, um dort auf den Makalu zu steigen. Würde ihr Körper das mitmachen, den Wechsel von flachem Land an den steilen Berg? Es war offenbar kein Problem. Sie war überrascht, wie gut es mit der Akklimatisation klappte, obwohl sie zwei Wochen später angereist war als der Rest der Expedition.
Doch danach, am Kangchendzönga, schien das Glück nicht auf ihrer Seite. Sie war nach dem ersten Anlauf schon wieder zurück in Kathmandu, als sich dort eine kleine Gruppe zusammenfand, um noch einen Versuch zu starten. Alles zurück auf Anfang. Noch einmal ging es ins Basislager, und von dort aus auf den Gipfel des dritthöchsten Bergs der Welt.
Jetzt hofft Anja Blacha fürs Frühjahr auf mehr Glück in der Arktis. Der Nordpol hat für sie Priorität. Allerdings ist es auch nicht ausgeschlossen, dass sie wieder zu einem der hohen Berge reisen wird. Die Achttausender Dhaulagiri, Annapurna, Lhotse und Shishapangma warten noch.