Bei seinem Besuch in Indien hofft Kanzler Scholz auf eine engere Zusammenarbeit. Besonders bei einem EU-Freihandelsabkommen drängt er auf den Abschluss. Premier Modi wirbt für Investitionen – und lobt Visa für Fachkräfte.
Bundeskanzler Olaf Scholz ist mit einem klaren Ziel nach Indien gereist: Beide Länder sollen enger zusammenrücken – wirtschaftlich und militärisch. Doch ob die seit Jahren bestehenden Blockaden in allen Bereichen ausgeräumt werden können, ist zum Auftakt der deutsch-indischen Regierungskonsultationen noch fraglich.
“Wir brauchen mehr Zusammenarbeit, nicht weniger”, betonte Scholz beim Zusammentreffen mit Indiens Premierminister Narendra Modi in Neu Delhi. Im Fokus steht dabei ein Freihandelsabkommen der EU mit Indien. Doch um das wird bereits seit 2007 gerungen.
Nun will der Kanzler Tempo machen. Es solle “rasche Fortschritte und schnelle Ergebnisse” geben, machte Scholz deutlich und betonte in Richtung des indischen Regierungschefs: “Wenn wir zusammen daran arbeiten, Premierminister, könnte dies eher in Monaten geschehen, als in Jahren.”
Indien beharrt auf Grenzen
Doch es hakt bei der Suche nach einem Kompromiss. Die EU drängt auf Umweltstandards und nachhaltige Lieferketten, Indien will nicht jeden Wirtschaftssektor für den internationalen Markt öffnen.
So zog Indiens Handelsminister Piyush Goyal vor Beginn der offiziellen Gespräche nochmals klare Abgrenzungen. Die Branche der Milcherzeugung etwa, die werde Indien nicht für ein Freihandelsabkommen öffnen. Indien verhandele nicht aus einer Position der Schwäche, betonte Goyal, gegenseitige Befindlichkeiten müssten respektiert werden, was in Verhandlungen mit anderen Staaten gelungen sei. Dann, so zeigte sich auch der Handelsminister überzeugt, könne es schnell gehen.
Neben Scholz sind mehrere Minister der Bundesregierung zu den Konsultationen nach Indien gereist. Unter ihnen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Auch der Grünen-Politiker drängt auf ein gemeinsames Abkommen, eventuell in abgespeckter Form, wenn es dann für einen Kompromiss reicht.
Mehr Visa für indische Fachkräfte
Scholz warnte in Neu Delhi vor drohenden einseitigen Abhängigkeiten, besonders in Bereichen von strategischer Bedeutung. Er führte beispielsweise kritische Rohstoffe und bestimmte Technologien an. Auch Deutschland will – vor allem mit Blick auf China – solche Abhängigkeiten vermeiden.
Die Möglichkeiten dazu biete Indien, betonte Premier Modi. Indien sei stark bei Künstlicher Intelligenz. Es gebe unendliche Möglichkeiten für Start-ups und einen starken Ausbau der Infrastruktur. Und auch in Sachen klimafreundliche Technologie warb der Regierungschef für Investitionen in sein Land. Modi lobte zudem die Zusammenarbeit bei Fachkräften. “Deutschland hat entschieden, die Zahl der jährlichen Visa für indische Fachkräfte von 20.000 auf 90.000 zu erhöhen”, sagte er.
Deutsche U-Boote für Indien?
Neben der Wirtschaft sollen Deutschland und Indien künftig auch militärisch engere Partner werden. Die Streitkräfte beider Länder sollten “näher zusammengebracht” werden, wie Scholz es formulierte. Über einen ersten Deal wird derzeit noch verhandelt – den Bau von sechs U-Booten für die indische Marine.
Schon vor dem Eintreffen der deutschen Delegation hatte Premier Modi von einem “unerschlossenen Potenzial der Rüstungskooperation” zwischen seinem Land und dem Westen gesprochen. Noch ist Russland größter Waffenlieferant für Indien. Nach Angaben des US-Thinktanks “Stimson Center” stammen 85 Prozent der indischen Waffen aus russischer oder sogar noch sowjetischer Produktion.
Es ist nicht der einzige Bereich, in dem Russland und Indien eng kooperieren. 2023 hat Russland eigenen Angaben nach 90 Millionen Tonnen Öl nach Indien geliefert – womit Indien zum größten Abnehmer des Rohstoffs aufstieg. Und auch ein gemeinsamer Freihandelspakt steht im Raum. Die Gespräche über ein solches Abkommen hatten Indien und Russland im vergangenen Jahr aufgenommen.