Es gibt auch noch gute Nachrichten aus der Autowelt. Während die europäischen Autokonzerne wie Volkswagen und Stellantis tief in der Krise stecken, hat der drittgrößte Autobauer der Welt, Hyundai Motor, am Montag damit begonnen, sein Indien-Geschäft an die Börse zu bringen. Um die drei Milliarden Dollar will der Konzern aus Südkorea über die Ausgabe der Aktien einsammeln. Das würde diesen Geschäftszweig mit 17 Milliarden Dollar bewerten, wäre der größte Börsengang, den Indien jemals gesehen hat, und der zweitgrößte in der ganzen Welt in diesem Jahr.
Das Ziel der Südkoreaner ist es, das Geschäft in Indien weiter auszubauen und von seinem Werk dort aus noch stärker als bisher den übrigen asiatischen Raum zu beliefern. Während andere internationale Autokonzerne wegen des zunehmend schwierigen Geschäfts in China gerade erst auch den zweitgrößten Automarkt der Welt stärker in den Blick nehmen, profitiert Hyundai davon, dass es sich dort schon seit Jahren ein starkes Standbein aufgebaut hat. Die Konzernmarken Hyundai und Kia verkaufen in dem Land mehr Autos als die Lokalmatadoren Tata Motors und Mahindra.
Das starke Indien-Geschäft ist ein Grund dafür, warum bei Hyundai anders als bei den europäischen Wettbewerbern von Autokrise bislang wenig zu spüren ist. Die rückläufigen Verkäufe im vergleichsweise kleinen China-Geschäft kann der Konzern gut abfedern. Laut den jüngsten veröffentlichten Geschäftszahlen gingen die Verkäufe in China im zweiten Quartal zwar um gut ein Drittel auf 43.000 Fahrzeuge zurück. In Indien verkaufte der Konzern dafür mit 146.000 Autos sogar ein wenig mehr als im Vorjahresquartal. Unterm Strich blieben die globalen Verkäufe mit rund einer Million Fahrzeuge stabil und so konnte der Konzern ein Rekordergebnis vorweisen.
Krise hat vor allem zwei Gründe
Dazu hat auch die breite Palette an Antrieben der Koreaner beigetragen. Die europäischen Autohersteller leiden gerade vor allem an zwei Übeln: der sinkenden Nachfrage nach ihren Autos in China und dem wegbrechenden Interesse der Kunden an reinen Elektroautos, auf die sie sich – staatlich verordnet – stark konzentriert haben. Hyundai hat neben den reinen Stromern auch viele Hybride im Sortiment, also die Kombination aus Batterie- und Verbrennerantrieb, die viele Kunden derzeit den Elektroautos vorziehen. Die Nachfrage danach stieg laut den Koreanern allein im zweiten Quartal um 26 Prozent, während die nach reinen Elektrofahrzeugen um ein Viertel zurückging.
Geschäftlich spielt Hyundai dieser Nachfrage-Schwenk in die Hände, wie Finanzvorstand Lee Seung Jo erläuterte: „Mit Hybriden erzielen wir fast die gleichen Margen wie mit Benzinern, nämlich zweistellige.“ Die reinen Elektroautos dagegen erzielten im besten Fall niedrige einstellige Margen, schon weil den Händlern höhere Rabatte gewährt werden müssten. Die Finanzmärkte belohnen diese breite Aufstellung. Alle drei großen Ratingagenturen haben ihre Bonitätsbewertung für Hyundai in diesem Jahr angehoben. Der Aktienkurs ist innerhalb eines Jahres um ein Drittel gestiegen.
Auch beim absatzstärksten Autokonzern der Welt, Toyota Motor, zahlt sich die Stärke bei Hybriden aus, die die Japaner einst erfunden haben. Von Jahresanfang bis August verkauften sie 2,6 Millionen dieser Autos, was einem Plus von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entsprach, und gut 40 Prozent der Gesamtverkäufe ausmachte. In China brach der Absatz in dem Zeitraum zwar um zehn Prozent ein. Doch auch Toyota schafft es, diesen Rückgang zu kompensieren, durch stärkere Verkäufe in Amerika, Europa und ebenfalls in Indien. So liegen die Gesamtverkäufe mit 6,6 Millionen Fahrzeugen in aller Welt nahezu gleichauf zum Vorjahr.
Toyota-Aktie löst gemischte Gefühle aus
Dabei machen sich inzwischen auch die Bremsspuren einer hausgemachten Krise bemerkbar: Nachdem Toyota nach Schummeleien bei Abgas- und Sicherheitstests in seinem wichtigen Heimatmarkt den Verkauf mehrerer Modelle pausieren musste, sank der Absatz in Japan gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent.
Zu Toyota fällt das Votum der Aktienmärkte entsprechend gemischter aus als zu Hyundai. In den ersten drei Monaten des Jahres war der Aktienkurs zunächst rasch von 2600 auf fast 3900 Yen angestiegen. Inzwischen liegt er wieder auf dem Niveau des Jahresbeginns. Damit preisen die Anleger auch die Erwartung ein, dass die japanische Währung Yen bald wieder an Wert gewinnen dürfte. Der außerordentlich günstige Yen-Kurs der vergangenen zwei Jahre hatte japanische Autos gegenüber europäischen und amerikanischen auf dem Weltmarkt deutlich billiger gemacht und die Verkäufe somit beflügelt. Wenn der Yen wieder aufwertet, dürfte dieser Sondereffekt passé sein.
Fast ein Drittel seines Börsenwerts hat Nissan im bisherigen Jahresverlauf verloren. Im Sommer schockierte der Vorstandsvorsitzende Makoto Uchida die Märkte damit, dass der Konzern im Quartal von April bis Juni fast gar kein Geld mehr verdient hatte. Ähnlich wie bei den europäischen Autobauern war auch hier die Diagnose: zu stark auf China gesetzt, keine Hybride im Sortiment. Zweiteres sorgte dafür, dass Nissan auch noch im wichtigsten Markt Amerika an Boden verlor. Um die Verkaufszahlen ihrer reinen Stromer dort halbwegs stabil zu halten, mussten die Japaner ihren Kunden kräftige Rabatte gewähren, was die Profitabilität einbrechen ließ. Die Gewinnprognose für das Gesamtjahr korrigierte Uchida um 17 Prozent nach unten.
Nissan und Honda paktieren
Mit ungewöhnlichen Kooperationen versuchen die japanischen Autokonzerne, sich nun für die Zukunft zu rüsten. So haben Nissan und sein Wettbewerber Honda im August bekannt gegeben, dass sie gemeinsam neue Elektroautos entwickeln wollen. Bislang sei noch nicht an eine Kapitalverflechtung gedacht, sagte Honda-Chef Toshihiro Mibe, aber ausgeschlossen sei das nicht. Auch Mitsubishi solle noch an Bord geholt werden. Auf der anderen Seite will Toyota den kleineren japanischen Hersteller Subaru, Suzuki und Mazda bei der Umstellung auf ein Zeitalter mit klimaschonenderen Antrieben unter die Arme greifen.
Die Regierung fördert solche Kooperationen. So hat das einflussreiche Industrieministerium METI die Autokonzerne Japans im Sommer dazu aufgerufen, in der Softwareentwicklung stärker zusammenzuarbeiten, die als Schlüssel etwa zum Autonomen Fahren oder auch zu Cyber-Sicherheit gilt. In die gemeinsame Entwicklung eingestiegen sind daraufhin schon unter anderem Toyota, Nissan und Honda. Die Autoindustrie verändere sich in einem nie dagewesenen Tempo, sagte Mibe damals. Da könne man nicht mehr nach den altbekannten Regeln spielen.