Polens Außenminister Radosław Sikorski hatte einen symbolischen Ort gewählt, um ein Signal der Entschlossenheit zu senden. „Die größten Staaten Europas sind bereit, größere Lasten zu tragen“, sagte Sikorski nach einem Treffen der Außenminister Polens, Deutschlands, Frankreichs und Italiens am Dienstag im Wasserschloss des Königlichen Bäderparks im Zentrum Warschaus mit Blick auf eine möglicherweise nachlassende Unterstützung der USA für die Verteidigung der Ukraine. „Wir wissen, was es heißt, seine Souveränität einbüßen zu müssen“, sagte Sikorski. „So etwas darf in Europa nie wieder passieren.“
Ende des 18. Jahrhunderts hatten die Großmächte Österreich-Ungarn, Preußen und Russland unter anderem in diesem Wasserschloss Polen unter sich aufgeteilt, womit der Staat 123 Jahre lang von der europäischen Landkarte gefegt worden war.
Selbiges drohe nun der Ukraine, sagte Sikorski, weshalb sich seine Amtskollegen bei ihrem Treffen, zu dem auch die Außenminister Spaniens, Großbritanniens und die künftige Außenbeauftragte der EU, die frühere Ministerpräsidentin Estlands, Kaja Kallas, zugeschaltet waren, darauf einigten, dass Europa ab sofort mehr tun müsse. Das heiße vor allem auch, mehr in die eigene Verteidigung zu investieren. „Wir müssen den europäischen Pfeiler in der NATO stärken“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Das bedeute, künftig „deutlich mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Sicherheit“ zu investieren. Dabei gehe es auch um die Abwehr hybrider Attacken, die Russland bereits „in bisher nie dagewesener Anzahl und Vielfalt gegen NATO- und EU-Länder“ ausführe, was „erhebliche Sicherheitsrisiken“ schaffe, heißt es in der Erklärung der Minister.
Italien meldet Schuldenbedarf an
Italiens Außenminister Antonio Tajani wandte ein, dass das Zweiprozentziel zwar richtig sei, die Finanzierung jedoch „außerhalb der Stabilitätskriterien“ sichergestellt werden müsse, da Italien sonst nicht dazu in der Lage sei. Sikorski erklärte daraufhin, dass man sich auf gemeinsame europäische Anleihen für Verteidigung geeinigt habe. Baerbock widersprach an der Stelle nicht, obwohl Deutschland bisher entschiedener Gegner von Eurobonds zu diesem Zweck ist. In der Abschlusserklärung der Minister tauchen die Anleihen nicht auf, wohl aber das Zweiprozentziel, das „in vielen Fällen überschritten“ werden müsse.
Zugleich kündigten die Minister an, die Ukraine im kommenden Jahr militärisch, wirtschaftlich und finanziell mehr zu unterstützen. Zur Finanzierung verwiesen sie auf den 45-Milliarden-Euro-Kredit der G-7-Länder, der aus Zinsen eingefrorenen Vermögens der russischen Zentralbank zurückgezahlt werden soll.
Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot erklärte, sein Land werde der Ukraine „noch im kommenden Monat“ Kampfflugzeuge vom Typ Mirage liefern sowie weiterhin ukrainische Soldaten ausbilden. Baerbock mahnte zudem „eine echte europäische Verteidigungsindustrie“ an, „die integriert zusammenarbeitet und nicht parallel nebeneinander“. Einigkeit herrscht zudem darüber, Hindernisse im Verteidigungsbereich zu beseitigen, in kritische militärische Fähigkeiten inklusive Flugabwehr, Präzisionswaffen und Drohnen sowie in Forschung und Entwicklung zu investieren. Der Schlüssel dafür sei das gemeinsame Handeln der EU mit Großbritannien und den NATO-Staaten. Zudem kündigten die Minister an, „eine gerechte Lastenverteilung“ im transatlantischen Bündnis sicherzustellen, wohl ahnend, dass da ab Januar mehr auf sie zukommen wird.
Groß ist die Einigkeit schließlich bei der weiteren Unterstützung der Ukraine, deren Außenminister auch eingeladen, laut Sikorski allerdings verhindert war. „Wir bleiben standfest in unserer Unterstützung für einen gerechten und andauernden Frieden für die Ukraine, basierend auf der Charta der Vereinten Nationen“, heißt es in der Abschlusserklärung. Nichts dürfe über die Köpfe der Ukraine hinweg entschieden werden. „Wir versichern, dass der Aggressor die Konsequenzen aus seinem völkerrechtswidrigen Handeln tragen wird, auch die finanziellen.“ Russland müsse komplett für den Wiederaufbau der zerstörten Regionen zahlen, sagte Sikorski und forderte zugleich, Lücken in den Russland auferlegten Sanktionen zu schließen.